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Prioritäten

Eine neue (alte) Situation

Immer dann, wenn etwas Überraschendes passiert, ändern sich schlagartig die Prioritäten.

Ich nehme mal ein Beispiel aus meiner Praxis:

Sehr selten rate ich Patienten zu einer sofortigen Operation an einem Gelenk. Denn sehr selten sind diese Operationen so unausweichlich oder spektakulär hilfreich wie initial gedacht. Meine Empfehlung geht eher in Richtung aufmerksames Abwarten. Denn, und jetzt kommt der Bezug zur aktuellen Situation, auch wenn Du es als Patient schaffst, mit guter Lebensqualität auch nur ein Jahr länger zu warten die Hüfte oder das Knie zu ersetzen, dann hat sich die Technik so stark weiterentwickelt, dass die Operation an sich immer schonender und das Ergebnis besser wird.

Drei Viertel im Scherz und ein Viertel mit dunkler Vorahnung füge ich dann oft hinzu: ‚Es sei denn wir schaffen es bis dahin, uns kollektiv in das Mittelalter zurück zu bomben. Dann wäre es besser, sie lassen sich sofort operieren…‘

Leider ist diese Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario mit dem völlig unprovozierten und unmenschlichen Angriff Putins auf die Ukraine, gerade leicht gestiegen…

Diesen Cartoon fand ich in dem Moment erschreckend, wo ich ihn vor einigen Jahren sah. Natürlich gab es damals keine glaubwürdigen Hinweise darauf, dass Russland die Ukraine angreift und damit einen Krieg im geografischen Europa losbricht. Aber die Möglichkeit des Krieges besteht seit Beginn der Menschheit leider immer…

Was fange ich jetzt mit dieser Situation an?

Ich war in meinem Leben noch nie Willkür oder Gewalt ausgesetzt. Aber oft frage ich mich, wie ich reagieren würde. Besitze ich genügend Patriotismus um ‚für mein Land‘ zu kämpfen? Sicher nicht…

Aber, wie in dem Buch ‚Im Grunde gut‘ beschrieben, haben auch viele Soldaten der großen Kriege erstens nie ihre Waffe abgefeuert und zweitens nicht für das herrschende Regime gekämpft, sondern für die Menschen die ihnen am nächsten sind. Im Alltag die Familie; im Krieg der Kamerad neben mir. Für irgendetwas lohnt es sich immer zu kämpfen. Aber nie mit Waffengewalt.

Fragen???

Ist jetzt alles Andere als das nackte Überleben banal? Ist unser ganzes ‚zivilisiertes‘ und modernes Leben nur eine Farce? Sind die Bemühungen um ein friedliches und freundliches Miteinander naive Kindereien? Sind gesunde Ernährung, schmerzfreie Bewegung, umfassende Bildung und Toleranz nutzlose Werte? Zeigt sich jetzt mal wieder wie verweichlicht wir alle sind? Brauchen wir angesichts dieser Aggression aus dem letzten Jahrhundert, wieder mehr militärischen Drill in Erziehung und Schule um besser vorbereitet zu sein? Haben Demokratie und Frieden uns weich und anfällig gemacht?

Ich glaube natürlich nicht, dass wir alle diese Werte in Frage stellen sollten. Denn was wollen wir denn sonst verteidigen? Unser ‚Territorium‘? Oder unsere Werte? Mit welchen Mitteln wollen wir dies in Zukunft tun?

Krieg wird immer erst möglich wenn die Kommunikation zusammenbricht. Wir müssen daher besser und ausdauernder in der Kommunikation und Diskussion werden. Nicht weniger miteinander reden isat die Lösung. Mehr und besser kommunizieren muss die Zukunft sein.

Ich sehe es so: Das nervige, teils unverständliche, zähe und endlos scheinende Gelaber auf kommunaler, nationaler und internationaler politischer Bühne verhindert den sinnlosen, brutalen und für alle Beteiligten furchtbaren Lärm des Krieges.

Anders ausgedrückt:

Wir glauben, dass alle Staaten, die aus zusammengebrochenen und zurückgewichenen Empires entstehen, viele Völker in sich tragen, die sich nach Integration mit Völkern in Nachbarstaaten sehnen. Das ist normal und verständlich.

Denn wer will nicht mit seinen Brüdern vereint werden und mit ihnen gemeinsame Ziele verwirklichen? Doch Kenia lehnt es ab, eine solche Sehnsucht mit Gewalt zu verfolgen.

Wir müssen unsere Heilung von der Asche toter Empires in einer Weise abschließen, die uns nicht in neue Formen von Herrschaft und Unterdrückung zurückwirft. Wir lehnten Irredentismus (die Zusammenführung möglichst aller Vertreter einer bestimmten Ethnie in einen Staat mit festen Territorialgrenzen) und Expansionismus ab, auf jeder Basis, auch rassisch, ethnisch, religiös oder kulturell.

Wir lehnen es auch heute ab.

Kenias UN-Botschafter Kimani fordert im Sicherheitsrat

Denkanstöße, Tipps und Übungen für den Alltag?