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‚Nur‘ 20 Minuten

Längere Behandlungen = Bessere Gesundheit?!?

„Die kurzen 20 Minuten, die man als Physio für eine Behandlung Zeit bekommt, reichen natürlich hinten und vorne nicht, um umfassend zu behandeln.“ So ähnlich drückt es ein Osteopath in dem Podcast ‚Deine Gesundheit machst Du selbst‘.

Die Idee ist, dass eine stundenlange Behandlung bei jedem Besuch, eine tiefergehende Behandlung ist und damit bessere Resultate garantiert. Diese Ansicht finde ich falsch! Denn der Effekt einer Behandlung hängt nur in sehr geringem Maße mit der Länge der Behandlungssitzung zusammen.

Hole-in-One

Auch in der Chiropractic gab es für einige Jahre den Glauben, es gäbe die EINE perfekte Behandlung. Wenn der Chiropractor nur genügend Zeit und Konzentration in die Analyse legen würde, könnte er die Mutter aller Subluxationen finden und mit einem Adjustment korrigieren. Wenn er sein Handwerk versteht, beginnt jetzt ohne weiteres Zutun die Heilung des Patienten. Von oben nach unten – von innen nach außen. Nichts Weiteres ist nötig!

Es dauerte zum Glück nicht lange bis dieser Irrglauben beendet wurde…

Zeit und Wert

Um den Zusammenhang zwischen Zeit und Wert zu beschreiben, muss ich mal etwas weiter zurückgreifen. Ein Effekt des Kapitalismus und der Industrialisierung ist es, dass wir unser Leben in objektiv nachvollziehbare Zeiträume unterteilen. Vorher gab es keine Lohnarbeit, keine Arbeitsverträge oder feste Arbeitszeiten. Oft bestimmte die Dauer des Tageslichts die Dauer der produktiven Arbeit. Ich bin der letzte der behauptet, dass dies die ‚gute alte Zeit‘ war. Ausbeutung und Sklavenarbeit waren weit verbreitet und nur wenige Menschen hatten die Wahl welcher Art von Tätigkeit sdie nachgehen möchten…

Diese Zeiteinheiten bekommen dann vom Fabrikbesitzer oder vom ‚Markt‘ einen monetären Wert zugeordnet, der dann die Bezahlung rechtfertigt. Dieses Prinzip war laut Zuboff die zweite Stufe der Entwicklung des Kapitalismus. Derzeit befinden wir uns mitten in der dritten Stufe…

So wird auch in den Abrechnungskatalogen der Ärzte und Physiotherapeuten vielen Maßnahmen ein Zeitwert zugeordnet. Eine Massage dauert 20 Minuten, ein Gespräch 5 Minuten, eine Sportsitzung 60 Minuten usw.

Spannenderweise wird davon ausgegangen, dass dies in irgendeiner Form eine wissenschaftlich überprüfte und bestätigte Zeitlänge darstellt, die das optimale Behandlungsergebnis begünstigt. Aber dies ist genauso wenig der Fall, wie Krankenkassen und Ärztelobby händeringend nach der objektiv besten Lösung gesundheitlicher Probleme suchen.

Was ist eine Behandlung?

Für mich beruht der Erfolg einer Behandlung auf einem Lerneffekt. Und wie beim Lernen, spielt neben der Motivation des Lernenden und Lehrenden, die Kombination aus Wiederholung und neuen Impulsen die zentrale Rolle.

Eine Behandlungssitzung muss in sich Sinn machen und abgeschlossen sein. Eine chiropractische Behandlung besteht aber aus mehreren Behandlungssitzungen. Die biologischen Prozesse, die im Körper angestoßen werden benötigen eine gewisse Zeit um ihre Wirkung zu entfalte

n. In meinem Verständnis von Biologie beträgt dieser Zeitraum eher wenige Tage als mehrere Wochen. Ähnlich wie beim Lernen vor einer großen Klausur ist es weniger nützlich was ich vor 8 Wochen gelesen habe, als das was ich in den Tagen vor der Prüfung verinnerlicht habe.

Das sind die Gründe, warum die Idee, dass 20 Minuten zu kurz für eine sinnvolle Behandlung sind, nicht zu Ende gedacht wurden. Es ist viel wichtiger, dass Behandelnde und Behandelte wissen, was das Ziel ist und wie der Plan aussieht dieses Ziel zu erreichen. Die Maßnahmen zur Erreichung besserer Gesundheit variieren zwischen verschiedenen Menschen und Behandlungssystemen.

Denkanstöße, Tipps und Übungen für den Alltag?