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Life hack (sprich: Laif Häck)

Das Leben zu ‚hacken‘ ist ein etwas merkwürdiger Begriff. Er stammt aus der Welt der Computerwissenschaft. Der Hacker versucht einen Zugang zu den Systemdaten des Computers oder des Netzwerks zu bekommen um entweder zu zeigen dass das System nicht so sicher ist wie gedacht. Oder um mit diesem Zugang das System nach ihren Wünschen zu verändern.

Für den Körper soll hacking bedeuten, Mittel und Wege zu finden schneller ans Ziel (was dies genau ist bleibt oft unklar. Erleuchtung, ewige Gesundheit?) zu kommen. Positive Veränderungen zu beschleunigen und negative Einflüsse zu verringern.

Eine grundsätzlich sehr gute Idee!

Veränderung ist gut und unausweichlich. Sie findet ständig statt. Ob wir das wollen oder nicht. Aber lässt sich die Biologie überhaupt so einfach hacken bzw. verbessern? Bzw. ist es nötig dies zu versuchen?

Auf der Überholspur

Es gibt zwei gegenläufige Trends um das Leben zu hacken:

  1. Die Ablehnung nahezu aller technologischen und zivilisatorischen Errungenschaften um zurück zum einfachen guten Leben zu kommen.
  2. Die intensive Nutzung neuester technischer und chemischer Technologien und Erkenntnisse um unseren Körper und unser Hirn auf die Überholspur zu bringen.

Jahrmillionen der stetigen Veränderungen und Anpassungen unseres Körpers an die Bedingungen unserer Umwelt zum Zweck des Überlebens sollen hier durch die Zugabe von blauem Licht, Trampolinen, kaltem Wasser, kurzer Mantras, tiefer Atmung, elektrischer und magnetischer Hirn- und Körperstimulierung und nicht zuletzt chemischen und natürlichen Drogen sprungartig verbessert werden. Homo sapiens 2.0 oder wie Harari sagt Homo deus, der gottgleiche Mensch, soll das Ergebnis sein.

Früher war alles besser

Die evolutionsbiologische Argumentationskeule wird häufig geschwungen um zu erklären dass früher alles besser war. Keine Handystrahlung, kein Plastik, keine Pestizide, keine Abgase. Ein paradiesischer Zustand des einfachen Lebens. Voller Nächstenliebe, Respekt vor der Natur und Gesundheit. Kein Krieg, keine Aufrüstung, keine Politik, keine Religion. Wäre nicht eine Rückkehr zu dieser Zeit das Beste für uns alle?

Wir müssen quasi nur alles moderne und technologische wieder abschaffen und schon ist das Leben wieder wundervoll.

Das ist ausgemachter Unsinn!

Denn schon die Verbreitung dieser Message benötigt das Internet und damit einen unvorstellbaren Apparat von Hardware und Software der ohne unsere globale Zusammenarbeit unmöglich wäre.

Auch hier hat Harari wieder sehr gute Argumente auf seiner Seite. Die ursprünglichen oder auch ‚primitiven‘ Gesellschaften waren nicht friedlich. Sie waren und sind sehr von Gewalt geprägt. Das Risiko durch Gewalt ums Leben zu kommen war im Vergleich zu heute sehr hoch. Ebenso war auch die Veränderung der Umwelt zum Beispiel durch die Ausrottung nahezu aller großen Säugetiere seit jeher ein Merkmal des Menschen. Egal wo er aufgetaucht ist. Also muss unsere Entwicklung schon sehr viel früher schiefgegangen sein. Die Frage ist daher auf welchen Zustand wir denn zurück wollen?

Die Anerkennung dass heute lange nicht alles für alle super ist muss einhergehen mit der Einsicht dass es diese Zeit auch noch nie gab. Wie Popper bis zu seinem Tod 1994 immer wieder sagte:

Die Welt in der wir heute leben ist die beste die es jemals gab.

Ihm wurde vorgeworfen die Probleme und das Leid von Millionen zu ignorieren. Was er aber meinte war dass wichtige Freiheiten und Möglichkeiten der Teilhabe und der aktiven Veränderung noch nie so weite verbreitet waren wie derzeit. Die Frage ist nur wie weise wir diese großartige Chance nutzen.

Die gute alte Zeit

Wie Kevin Kelly in seinem Buch ‚What technology wants‘ ausführt ist auch die selbstgewählte Einfachheit wie sie die Amish in den USA praktizieren ein starkes Symbol für die hohe Technisierung der Gesellschaft. Denn hier wird das Neue nicht abgelehnt. Es wird lediglich sehr langsam adaptiert. Aber Widersprüche erzeugt es trotzdem.

Im Prinzip ist das einfache Leben im Tiny House oder im Wohnwagen oder auf der Alm, in der technisch und gesellschaftlich entwickelten Welt eine extreme und sehr merkwürdige Form des Luxus. Genau dasselbe gilt für die Paläo Ernährungsweise. Wie weit zurück möchten wir denn? Wollen wir zurück in die Zeit vor Entdeckung des Feuers? Als alles noch buchstäblich ‚raw’ war?

Niemand im ländlichen China oder Indien würde sich freiwillig für das ‚einfache Leben‘ entscheiden denn es ist ihnen aufgezwungen und unausweichlich. Die Möglichkeit technologischen Fortschritt zu nutzen um die Lebensumstände zu verbessern wird hier dankbar und dadurch auch teilweise unkritisch genutzt. Dies ist nicht ohne Probleme aber es scheint der unausweichliche Weg der Entwicklung zu sein. Irrwege inbegriffen.

Der Mittelweg

Extreme Sichtweisen fordern uns heraus über unser Leben nachzudenken. Selten aber sind diese Standpunkte und Lebensweisen aber nachhaltig sinnvoll oder praktikabel durchführbar. Vielmehr gilt es heutzutage unser Wissen über Gesundheit und unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit gepaart mit den heutigen technologischen und erkenntnistheoretischen Möglichkeiten zu nutzen. Somit wir ein Leben möglich welches bis vor kurzem unvorstellbar erschien. Ohne teuren Firlefanz oder krasse Rückwärtsgewandtheit mit zweifelhaftem Nutzen. Es sind hauptsächlich folgende Aspekte unseres Lebens die uns den Luxus bieten so ausgiebig über unser Leben nachzudenken:

  • Effektive Arbeitsteilung und Spezialisierung um mehr von allem für alle zu erzeugen
  • Sauberes Wasser
  • ein reichhaltiges und permanentes Nahrungsangebot
  • die Möglichkeit in Sicherheit einfach vor die Tür zu gehen und uns frei zu bewegen
  • eine sichere wohltemperierte Behausung
  • Zugriff auf das gesammelte Wissen der gesamten Menschheit

All dies ermöglicht ein reiches, langes, gesundes Leben. Wir sollten diese Chance nicht verspielen.

Denkanstöße, Tipps und Übungen für den Alltag?