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In der Praxis

In der heutigen aufgeklärten Welt möchten wir alle möglichen Dinge testen bevor sie auf die Menschheit losgelassen werden. Das Ziel dieser Tests soll eine gewisse Sicherheit in der Anwendung sein. Bzw. der Ausschluss von Risiken und Nebenwirkungen.

Dies gilt tendenziell für alle technologischen Errungenschaften des Menschen. Und hier meine ich die breiteste Definition von Technologie wie sie Kevin Kelly nutzt. Technologie ist alles was der menschliche Geist an Ideen hat und umsetzt. Manches bleibt eine Idee wie Staatsformen und Monogamie anderes wird zu einem nutzbaren Produkt.

Vorsorgeprinzip

Mit diesem Konzept soll genau dies erreicht werden. Expertenkommissionen und kleine selektierte Gruppen von Nutzern probieren eine Idee oder ein Produkt aus. Dabei versuchen sie alle Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung abzuleiten und durchzuspielen.

Prinzipiell eine tolle Idee!

Laut Popper sogar das was den Menschen vom ‚Tier‘ unterscheidet. Die Option Szenarien im Kopf durchzugehen um dann zu entscheiden ob wir in der echten Welt etwas ausprobieren wollen.

Emergente Eigenschaften

Die Probleme mit diesem Konzept werden deutlich wenn man bedenkt wie viele unserer Erfindungen und Ideen heute für etwas ganz anderes genutzt werden als zu Anfang gedacht. Dinge wie das Telefon, der Fernseher, das Flugzeug haben heute eine völlig andere Rolle als vom ‚Erfinder‘ gedacht. Das heißt wir nutzen die Nebenwirkungen dieser Technologien als den Hauptnutzen.

Wäre das Vorsorgeprinzip voll zur Geltung gekommen hätten diese Produkte nicht auf den Markt kommen dürfen.

Immer wenn man scheinbar einfache Ideen und Maschinen in komplexe Umgebungen entlässt, sprich die menschliche Gesellschaft, kommt es zu unerwarteten Konsequenzen.

Diese können sowohl positiv wie auch negativ sein. Es kommt hierbei sehr darauf an wie in ob diese Entwicklungen beobachtet und eventuell korrigiert werden.

Medikamente und medizinische Verfahren

Seit ca. Mitte der 1970‘ger Jahre werden Medikamente in Deutschland und der EU rigoros getestet bevor sie auf den Markt kommen. Das ist noch nicht so lange her. Seitdem gibt es stetige Bemühungen die vorgeschriebenen Verfahren zur Zulassung zu verkürzen. Das Argument der Hersteller lautet dass es aus ethischer Sicht kaum vertretbar ist der Öffentlichkeit Medikamente vorzuenthalten die sich als wirksam erwiesen haben. Die langwierigen Prozeduren werden hier quasi als Hindernis für die Innovation wahrgenommen.

Das mag in einigen Fällen auch so sein. Aber es gilt zu bedenken dass von den sogenannten ‚innovativen Medikamenten mit Zusatznutzen‘ die auf den Markt kommen, oft lediglich die Preisgestaltung innovativ war.

Anwendungsbeobachtungen

Diese Maßnahme soll sicherstellen dass die Medikamente die auf dem Markt sind weiterhin wissenschaftlich begleitet werden. Dies ist absolut entscheidend denn nun werden diese Mittel nicht mehr einer stark vorselektierten Gruppe von Studienteilnehmern und genau kontrollierten Bedingungen verabreicht. Nun haben alle die von der Ärztin als geeignet gesehen werden die ‚Chance‘ diese Mittel einzunehmen. Und erst jetzt zeigt sich der wahre Sinn oder Unsinn des Mittels.

Idealerweise wir nun genauestens dokumentiert wer die Mittel bekommt, wie sie wirken und auch welche neuen und bis dato unentdeckten Nebenwirkungen auftreten. All dies wir dann an die Hersteller und gesetzlichen Regulatoren weitergereicht und in einem kontinuierlichen Prozess werden die Informationen aktualisiert.

Wie gesagt; theoretisch…

Praktischerweise wird die Weitergabe dieser Informationen eher als Basis für finanzielle Anreizsysteme genutzt um sich gegenüber Ärzten die viel verschreiben erkenntlich zu zeigen. Die Daten aus den Anwendungsbeobachtungen werden so gut wie nie öffentlich zugänglich gemacht. Ebensowenig werden diese Daten genutzt um die Verschreibung der Mittel zu präzisieren oder zu verbessern.

Seien Sie daher vorsichtig wenn es heißt es gebe ganz neue Medikamente auf dem Markt. Diese sind aufzufassen wie Beta Versionen von Software. Nicht ganz fertig aber gut genug um ausprobiert werden zu können.

Die schlimmsten Nebenwirkungen von Softwareproblemen sind Zeitverschwendung, eine nicht ganz effiziente Route zum Ziel oder komische unansehnliche Grafiken.

Die Folgen unausgegorener Medikamente sind teilweise irreversible Schäden für die Gesundheit. Wenn Sie solche Mittel nehmen dann bestehen Sie bitte darauf dass die Informationen die Sie weitergeben auch genutzt werden um das Medikament weiter zu verbessern.

Und immer merken: Nur das Medikament welches Sie nicht nehmen hat keine Nebenwirkungen.

Bleiben Sie gesund.

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